Bewunderung und Projektion

Wenn bei einem Menschen, dessen schönste Eigenschaften wir bewundern, endlich auch negative Eigenschaften offenbar werden, sind wir enttäuscht. Die aufgebaute Idealisierung bricht zusammen. Plötzlich fangen wir an, an diesem Menschen zu zweifeln. Wir fühlen uns getäuscht.

Die Frage ist, ob es nicht besser wäre, zu untersuchen, ob wir uns nicht eher in uns selbst getäuscht haben, anstatt die Verantwortung sofort an den Anderen abzugeben, indem wir über ihn urteilen. Auf der Hand liegt doch, dass das Bewerten von Anderen, ein sich in Relation-Setzen mit dem Anderen ist.

Wir spiegeln uns also in unserem Gegenüber und alles, was uns dabei an Eigenschaften ins Auge springt, hat vor allem etwas mit uns selbst zu tun: wir mögen Dinge an dem Anderen, weil wir sie auf ähnliche Art in uns selbst wiederfinden, wir bewundern Dinge an dem Anderen, weil wir uns wünschen, sie selbst auch tun zu können. Oft heben wir auf diese Art den Anderen in den Himmel (und uns selbst unbewusst ein Stück dazu).

Sich beobachten, vielleicht feststellen, dass in der wütenden Enttäuschung ein verborgener Teilaspekt klammheimlich sogar Freude darüber empfindet, dass das „Idol“ nicht dem projizierten Ideal entspricht (Frage: aus welchen Motiven heraus habe ich überhaupt projiziert?). Ein Ideal, das man ja für sich selbst- wenn man ehrlich ist- auch nicht aufrechterhalten kann, und wenn doch, dann nur, wenn man sich selbst stilisiert, das heißt, wenn man die eigenen unangenehmen Eigenschaften verdrängt, also in den Schatten verbannt.

 

Dazu kommt: extrem „helle“, d.h. positive Eigenschaften bilden sich oft aus persönlichen Defiziten (um eine persönliche Balance herzustellen) und haben eine diametrale „dunkle“ Entsprechung, kommen also aus einem dunklen Hintergrund..

 

Die Welt versuchen so zu sehen, wie sie ist. Das Positive, das mir begegnet als inspirierenden Katalysator nehmen und über die dazugehörende Schattenseite nachdenken, sie also nicht ins Un-Bewusste verdrängen. Das, was einen offensichtlich wütend macht, als ein Element betrachten, das vor allem mit einem eigenen Problem zu tun hat und es als Einladung verstehen, dahin zu kommen dieses –verborgene- eigene Thema aus dem Schatten zu holen!

 

Ich kann und soll mich über irgendetwas ärgern, mich „danebenbenehmen“, wenn es passiert! Das schlimmste wäre, so zu tun, als würde man per se darüberstehen. Das wäre Lüge und Verdrängung („besser“ scheinen als man in Wirklichkeit ist). Sondern anerkennen, was Fakt ist, auch wenn es den Idealvorstellungen vom eigenen Selbst nicht entspricht. Denn nur auf diese Art kann ich ja in die Lage kommen, auf meine Themen hingewiesen zu werden!!!

Erkenntnisziel: Entgleisung-ja! Fehler machen-natürlich! Wichtig ist, danach darüber nachzudenken, an die tieferen Hintergründe herankommen und etwas dabei zu lernen.