Frontpage Ausgabe Februar 1992, Titelgeschichte mit Jürgen Laarmann

 

 

 

Zwischen Hardcore, House und Philosophie: Cosmic Baby

 Das Wort Trance geistert durch den Medienwald, mal als „next big thing“, als Nachfolger von oder als Alternative zu Techno. Dieses wage Ding zwischen rhythmusorientiertem Hardcore und Ambient Music fängt allmählich an, auch die Clubszene zu erobern, obwohl es auch vor Wohnzimmern nicht halt macht. Sicher ist, dass einer der führendenTranceheads aus Deutschland kommt, sowohl im musikalischen als auch im trancephilosophischen Bereich.

 

FP: Wie definierst Du „Trance“?

Cosmic: „Trance“ ist das Gefühl zu schweben, „normale“ Dinge auf Grund eines besonderen Ereignisses plötzlich „neu“, das heißt von einer anderen, höheren Stufe aus zu erleben. Ein Beispiel: Du frühstückst in Deinem „all morning“-Cafe. Das ist ok, aber nichts Besonderes. Eines Tages lernst Du dort die Frau Deines Lebens kennen. Von diesem Tag an wirst Du Dein „normales“ Cafe in einem ganz anderen Licht sehen: Es hat nur nicht mehr die reine „Funktion“, nach dem Aufstehen essen zu gehen, sondern wird von nun an für Dich vor allem DER Ort sein, wo Du Dich verliebt hast. Dein Frühstückscafe ist immer noch das gleiche und doch ganz anders als vorher.

FP: Ist Trance eine Weiterentwicklung von Techno?

Cosmic: „Weiterentwicklung“ ist nicht das richtige Wort. Es handelt sich eher um zwei sich ergänzende Elemente aus der gleichen Familie. Es ist doch klar: Je stärker sich Techno ausbreitete, desto stärker wurde auch das Verlangen nach dem äquivalenten Gegenstück. Techno und Trance ergänzen sich hervorragend: Jedes System lebt von den Spannungen, Widersprüchen, Gegenteilen. Erst sie machen das Ganze (in unserem Falle House-Music) interessant, vielfältig und wirklich gut!

FP: Du meinst also, dass genau aus diesem Grunde jetzt so viele Leute auf Trance abfahren?

Cosmic: Dito!

FP: Wodurch unterscheiden sich Deine Trancetracks zu Ambient House von KLF und The Orb?

Cosmic: Gib`zehn Menschen dasselbe Photo in die Hand und lasse sie erzählen, was sie sehen. Im idealen Fall wirst Du auch zehn verschiedene Photos geschildert bekommen: Cosmic Baby muss einfach anders sein als The Orb. Wir sind verschiedene Menschen, die an der gleichen Idee (dem gleichen Photo) arbeiten.

Definitiver: Cosmic Baby wird bei allem Chill Out immer rhythmischer, expressiver, also körperbetonter sein als etwa The Orb. Ich fasse Trance nicht als reine Mind-Music auf. Trance ist Geist und Körper und folglich inhaltlich weniger durch „Meeresrauschen“-Blueprints plus Schamanenflöten vorstellbar. Ich orientiere mich eher an der afrikanischen Realität von Trommelrhythmik, die mit gnadenlos stimulierender Rhythmik über den Körper den Geist verändert. Nur sind es bei mir eben die Basslines und die Rhythmusmaschinen. (…)

FP: Gegner von Trance Music bezeichnen die Tracks als monoton und langweilig. Wie stehst Du zu diesem Argument?

Cosmic: Ich bin davon überzeugt, dass jeder offene Geist sehr wohl unterscheiden kann zwischen „langweiliger“ und „spannender“ Trance-Music. Natürlich werden all diejenigen, die aus rein markttechnischen Gründen „Trance“ auf unterstem Level (billiges New Age – Gewaber) produzieren, dieses oberflächliche Argument unterstützen helfen. In meinem Fall ist das wohl eher nicht angebracht.

FP:Du hast klassische eine klassische Musikausbildung genossen. Glaubst Du das ist ein großer Vorteil?

Cosmic: (…) Ich würde wohl heute klassische Klavierkonzerte geben, hätte ich nicht mit etwa 14 das erste Mal Kraftwerk gehört. Ob ich auf Grund meiner Ausbildung „Vorteile“ habe? Es gibt so viele geniale Musiker, die können nicht mal Noten lesen. Also was soll`s!

FP: Siehst Du Parallelen in der klassischen Musik?

Cosmic: Klassische Musik ist etwa 1955 als „Authentic Sound“ gestorben. Händel oder Mozart waren zu ihrer Zeit „Party-Musiker“. Die Leute hatten ihren Spaß daran, weil ihre Musik sowohl funktional als auch inhaltlich genial war. 1992 gibt es statt des Wiener Hofes eben den „Tresor“ oder das „Omen“. Das ist mein Anspruch.

FP: Der Begriff Trance findet sich schon in der Mythologie. Gibt es da für Dich Zusammenhänge?

Cosmic: Natürlich: Mich interessieren die Grenzbereiche der menschlichen Existenz. Es ist weniger das Überprüfbare, das Messbare, was anturnt. Ich lebe, mache Erfahrungen, handle und bin gespannt, wie sich die Dinge entwickeln. In der Mythologie und den fernöstlichen Kulturen, z.B. dem Taoismus wurden viele Erkenntnisse über Trance-Zustände gewonnen: Das Gesamte wurde intuitiv betrachtet und nicht zerstückelt und einzeln für sich analysiert. Erst in den letzten Jahren sind auch wir wieder darauf gekommen, dass in einer universellen Ordnung Alles mit Allem zu tun hat, zusammen konfiguriert und sich gegenseitig rückkoppelt. Unnatürliche Eingriffe in ein System ergeben kein echtes Wissen, sondern sind eher destruktiv-willkürlich. Musik funktioniert ebenfalls in großen Gefühlsblöcken und nicht in seriellen Einzelevents. Das gilt im besonderen für Trance-Music.

FP: Was ist also das Beste, was jemanden passieren kann, wenn er Deine Musik hört?

Cosmic: Meine Musik ist eine Bestandsaufnahme der Welt, so wie ich sie erlebe, verarbeite und schließlich wieder nach außen abgebe. Wunderbar ist es, wenn sie jemand dazu benutzen kann, seine eigene Welt schöner zu machen.

FP: Besonders stark bist Du Live On Stage – wie sieht Dein Live-Konzept aus?

Cosmic: Der springende Punkt ist der Spaß am Spiel. Jeder Abend, an dem ich auftrete ist anders: da ist die andere Location, ein von Club zu Club und Stadt zu Stadt verschiedenes Publikum und meine Stimmung. Aus diesen Variablen resultiert dann das, was mich Live ausmacht. Ich will keine stereotype Tour, wo ein DAT von Anfang bis Ende durchläuft. Hier kommt mir ausnahmsweise wirklich meine klassische Ausbildung zugute: Ich kann direkt umsetzen, was ich empfinde. Ganz auf DAT-Spuren verzichten kann ich leider noch nicht: Ich spiele mit sehr reduzierten Backings, die mir viel Raum zur Improvisation lassen. Der vielzitierte MIDI-J ist das, was ich so bald wie möglich sein möchte: So frei mit dem eigenen musikalischen Material umgehen zu können wie ein DJ mit seinen Platten.

FP: Aber ist es nicht grundsätzlich schwachsinnig, Musik, die im Studio entsteht, live auf der Bühne nachzuspielen?

Cosmic: Nein, wenn dem so wäre, würde ich es ja nicht tun! Ich ahme mein Studiomaterial  nicht nach, sondern entwickle zusammen mit der Crowd unikate Versionen der Tracks. Ich sehe so ein Event eben nicht als reaktionäres Rock`n`Roll-Relikt, sondern als weiteres mögliches Element der Techno-House-Kultur. Lieber Westbam, für mich können nur Inhalte reaktionär sein, nicht ihre Formen. Mancher DJ erinnert mich viel mehr an RnR-Attitüden, als es eine live-Porformance je sein kann!

FP: Sind Trance-Tunes sexuell stimulierend?

Cosmic: Sexuell stimulierend wirkt jeder Klasse-Track! Das ist einer der magischsten Punkte in der Musik: ein Super Drumbeat bringt Dich in Bewegung, ein geiler Bass berührt Dich im wahrsten Sinne des Wortes an den Genitalien, eine geniale Melodie integriert sogar Deinen Kopf. Und wenn das alles zusammen mit einer phantastischen Frau passiert, ist doch alles klar…

FP: Was hältst Du von Pionieren wie Klaus Schulze, Tangerine Dream und Jean Michel Jarre…

Cosmic: Von Tangerine Dream und Brian Eno halte ich sehr viel. Wäre ich DJ, würde ich garantiert in jeder meiner Nächte Stücke von ihnen einbauen. Das ist als großes Kompliment gedacht: 15 Jahre alte Stücke als absolut zeitlos zu empfinden.

(…)