Gespräch mit Peter Huber, Titelgeschichte Groove Ausgabe 19, Dezember 1992

 

 

Cosmic Baby-House meets Classic

 

Als sein Stern Anfang des Jahres zart zu scheinen begann, stellten wir das kosmische Baby zum ersten Mal den geneigten Lesern vor. Nun ist das Jahr noch nicht ganz vorüber, aber wie `91 im Falle Hypnotist, wagen wir wieder die Prophezeiung, dass Cosmic in unserem Leserpool garantiert ganz vorne zu finden sein wird. Mehr noch: Er wird der erste deutsche Superstar der Housemusic. Der Junge ist einfach nicht aufzuhalten. Wer einen seiner fantastischen Auftritte miterlebt hat (in Frankfurt mindestens fünf an der Zahl), versteht die Stimmen, die, wie der amtliche Hardcore-Bretterer Tanith, vom besten Liveact der Welt sprechen. Kürzlich ansolvierte er seine ersten USA-Live-Gigs, auf die nun eine ausführliche Europatour folgt, die ihn natürlich auch wieder nach Frankfurt führen wird. Anlaß dafür ist seine neue LP „Stellar Supreme“. Very cosmic…

 

(….)

Groove: Seit der Klassik ist Techno doch eigentlich wieder die erste Musik, die wir exportieren, sieht man einmal von Scorpions, Modern Talking, etc. ab …

CB: Hat auch klare Gründe. Hier haben wir den Vorteil, dass es viele Plattenfirmen gibt, die sich Persönlichkeiten suchen, denen sie dann volle künstlerische Freiheit gewähren. Das heißt, wir können uns von allem unabhängig entwickeln, brauchen nicht auf Trends oder Stile zu achten, und können wirklich machen, was wir wollen und für richtig halten. Das ist natürlich was ganz anderes, als wenn du, wie oft in England oder Amerika, nur in Trend-Schemata gepresst wirst, und eine ganze Palette von Spielregeln beachten musst, wenn du eine Platte machen willst, die auch noch herauskommen soll. Das ist bei uns zum Glück nicht so. Deshalb hat sich eine solche Vielfalt entwickelt, und deshalb sind wir jetzt auch ganz vorne.

Groove: Außerdem liegen unsere Roots meines Erachtens von der Musiktradition her sowieso eher in der elektronischen Musik. Die erste eigenständige Musik aus Deutschland waren doch Schulze, Tangerine Dream & Co. Für mich hat sich das irgendwie auf der Klassik aufgebaut…

CB: Das ist genau der Punkt, warum ich als klassischer Musiker zu House gekommen bin. Da ist überhaupt kein Widerspruch drin. Als elektronischer Musiker kann ich mir gar keine andere Entwicklung vorstellen.

(…)

Groove: Es ist ja auch kein Ding, das von oben aufgesetzt worden ist, sondern von der Basis her entwickelt wurde, die auch die Infrastruktur selbst geschaffen hat, die die oben genannten Freiheiten erst ermöglicht hat.

CB: Es ist nach wie vor so, dass die Basis oder die Leute, die damit angefangen haben, weiterhin bestimmen, wie die Musik weitergeht. Noch vor einem guten Vierteljahr sah es so aus, als ob die Sache nach unten abgleiten würde. Das ist vorbei. Wir haben es echt geschafft. Es geht noch besser als vorher. Richtig fantastisch!

Groove: Stimmt. Im Frühjahr hatten etliche ein ziemlich flaues Gefühl, und allerorten orakelte man herum, wie lange es noch gehen würde. Die Industrie hat sich dann gottseidank zurückgezogen und die Sache wurde beleidigt für tod erklärt. Letzte News in Sachen Idiotie: Eine Majorfirma hat gerade einen Sampler mit dem unschlagbaren Titel „This was Technohouse“ herausgebracht. Na, wie fühlen sie sich so als Ewiggestriger?

CB: Winke, winke aus dem Rückspiegel!  Warum die großen Firmen die Sache nie in den Griff gekriegt haben, hat wohl auch mit Geld zu tun. Sowohl die DJs als auch die Musiker können durch die angesprochenen Strukturen mit ihrer Musik Geld verdienen und davon leben. Ich hätte DM 250.000.- Vorschuss bekommen können, wollte aber nicht. Ich kann mich auch so finanzieren, indem ich auftrete. Es ist nicht mehr so, wie vielleicht zu Zeiten der Neuen Deutschen Welle, als man sich fragen musste: „Gehe ich zur Industrie oder gehe ich Kohlen schaufeln“. Das ist auf jeden Fall ein Punkt, der für uns alles sehr viel glücklicher gestaltet. Das darf man nicht vergessen.

Groove: Kommen wir zu deiner LP. Bei allen Vorschußlorbeeren und Lobeshymnen sollte man vielleicht auch mal auf ein paar kritische Stimmen eingehen, die vor einer gewissen Fehlentwicklung warnen. Ich will`s mal so ausdrücken: Zieht man Parallelen zur Rockmusik, so gab es die „guten/ehrlichen/progressiven“ Woodstockfreaks (Hendrix, Greatful Dead, etc.) ein paar Jahre später eine Entwicklung in Richtung aufgeblasene Kitschoperetten (Barclay James Harvest, Supertramp, etc.). Als Gegenregulative gabs dann vom Punk wieder eine auf die Fresse, womit wir im heutigen Kontext bei Rotterdam gelandet wären. (…)Ich verstehe diejenigen, die aufgrund der teils süßlichen Elemente sagen, „wenn der so weiter macht, haben wir irgendwann einen neuen Vollenweider“. Jetzt stehst du noch an einem Punkt, von dem du die Sache selbst steuern kannst. Es liegt also an dir selbst.

CB: Was mir nicht gefällt ist, dass Progressivität immer mit Lärm und Rauheit gleichgesetzt wird. Wenn demzufolge jemand also ein klassisches Klavierstück macht, ist das nicht mehr „progressiv“. Wenn ich ein Album mache, dann versuche ich den Zustand, in dem ich mich befinde, möglichst komplex darzustellen. Wenn es mir nun sehr gut geht und ich aus diesem glücklichen Zustand heraus ins Studio gehe, dann nehme ich es gerne in Kauf, dass es manchem zu süßlich sein kann. Genauso kann es sein, dass die nächste Platte so rau wird, dass Leute sagen: „Mensch, wo ist denn das denn noch Cosmic Baby?“.

(…)

Groove: Was kommt von dir in Zukunft noch alles an Projekten? Moby hattest du ja schon angesprochen…

CB: Futurhythm mit Jonzon geht auf jeden Fall weiter, da kommt Dezember was Neues. Dann Energy52 mit Kid Paul, daran arbeiten wir gerade. Wird ein Superteil, kann ich jetzt schon sagen! Ferner Visions of Shiva mit Paul van Dyk.

 

 

Gespräch mit Peter Huber, Titelgeschichte Groove Ausgabe 19, Dezember 1992