Mein gelbes Notizbuch #13 – Künstlerfreunde & Konzert (1)

EYES WIDE SHUT – DÉNESH GHYCZY

Aus einem abstrakten Raum heraus fliegt, springt, gleitet, schwebt ein Mensch. Oder umgekehrt: fliegt, springt, gleitet, schwebt dieser Mensch eher in diesen abstrakten Raum hinein?

Die Personen befinden sich in Ruhe: Augen geschlossen. Körperhaltung entspannt. Konzentrierte Versunkenheit. Konzentrierte Selbst-Vergessenheit. Da lassen sich Menschen fallen: in (ab-)gründigste Tiefen, in ungeahnteste Räume. Die Zeit ist aufgehoben. (Serie „Into the Void“)

Oder: Da umarmt ein Mensch einen Baum – an den er mit Schnüren gefesselt ist. Augen geschlossen. Körperhaltung entspannt. Konzentrierte Versunkenheit. Konzentrierte Selbst-Vergessenheit. Ausdruck intensivster Selbst-Erfahrung. Da lassen sich Menschen fesseln, treten die Reise nach Innen an, halten inne, anstatt sich aktionistisch zu bewegen. (Serie: „Boundaries“)

Letztes Jahr sprach ich mit Helge über meine Begeisterung für Gerhard Richter und Neo Rauch. Er sagte: „Du musst unbedingt die Bilder von Dénesh Ghyczy sehen!“ Kurz darauf hatte ich Gelegenheit dazu. Die Bilder hauten mich um: Es korrelieren in spannungsgeladener Dynamik konkrete Personen mit abstrakten Räumen. Es geht es um IDENTITÄT. Da werden Zustände auf meisterhafte Art eingefangen, die mich mein Leben lang umgetan haben und umtun werden.

Ich sehe in Déneshs Bildern das gesamte Spektrum menschlichen Erfahrens. Ich sehe das Suchen, das Sich-fallen-lassen, das in andere, in neue Welten Springen. Es geht um die Verwirklichung der INNEREN FREIHEIT, der INNEREN SICHERHEIT, das Bewusstsein vom Geist-Körper-Menschen. Transzendenz in gleichzeitiger intensivster Selbst-Begegnung und Selbst-Gewissheit. Da läuft niemand davon, da verliert sich niemand im kapitalistischen Nichts und den dazugehören Rollen- und Verhaltensmustern. Da ist niemand zerstreut, entfremdet oder bewegt sich an der reinen Oberfläche. Da leben, agieren die Protagonisten in kompletter Ruhe und Übereinstimmung mit sich und dem Unbekannten, der universellen Abstraktion. Sie reisen nach innen, in dem sie nach innen hören. Sie lassen los, sie sind unabhängig von äußeren Ver(un)sicherungen. Sie sind un-abgelenkt, sie haben keine Angst vor dem Ungewohnten, Unbekannten und Unerklärten: Sie sind bei sich, treffen autonome Entscheidungen. Sie machen sich auf den Weg – ihren Weg. Sie sind FREI.

Dènesh Ghyczy: Night Dive, 2010

Déneshs Bilder sprechen mir aus der Seele. Da ist eine große Gedankenverwandtschaft in der Wahrnehmung der Welt, in der Haltung zu den Dingen, Themen und Problemen, um die es in diesen Zeiten des gesellschaftlichen Wahnsinns geht. Es wird wunderbar für mich sein, am 17. März an dem Ort, an dem er einen Monat lang arbeiten wird, mein nächstes Konzert zu geben!