Produktionszeitraum: Sept. 2001 bis Juli 2002 | Veröffentlicht im April 2007 auf time out of mind records | Format: CD

1. satz I-IV 15:00

2. satz I-IV 29:00

3. satz I-V 16:00

 

 

 

 

 

 

 

composed & produced by harald blüchel, sept.2001-June 2002
published by cosmic enterprises music & publishing GmbH
mastered by wolfgang ragwitz
graphics: rainer schleßelmann

TOOM 102, 2006

Mein besonderer Dank gilt Rolf Schlönvogt für seine grossartige Mitarbeit.

 

 

 

 

GEDANKEN:

 

I

 

Teil eins „Die Toteninsel“ war eine Art Inventur:

  • wo stehe ich ?
  • welche Mittel stehen mir zur Verfügung ?
  • wo möchte ich hin ?
  • mit welchen Mitteln kann ich mich in diese Richtung bewegen ?

 

Nach der Abschluß der „Toteninsel“ traf ich die grundsätzliche Entscheidung, die Eigenerwartung hinsichtlich schneller veröffentlichungsreifer Kompositionen möglichst weit hinten an zu stellen und dafür den Aspekt des Forschens weiter in den Vordergrund meiner Perspektive zu stellen. Forschen hieß für mich neben dem Experimentieren vor allem: lernen. Studium von Kompositionstechniken, Instrumentenkunde und Arbeit mit Musiker-innen, mit dem Ziel, gemeinsam zu signifikanten Ergebnissen zu kommen. Mein Ziel für jedes nächste (Teil-) Projekt sollte eine konsequent eindeutige Formensprache sein, die (anders als bei der „Toteninsel“) durch eine strikt  begrenzte Auswahl der Produktionsmittel realisiert werden sollte.

 

II

 

Zwischen September 2001 und Juli 2002 befasste ich mit einem musikalischen Projekt, dass ich „ caged “ nannte.  Ich untersuchte die Frage :

 

Wie könnte das Innenleben, Seelenleben einer Person klingen, die „der Welt abhanden gekommen“ ist?

 

Im ersten Schritt notierte ich musikalisches (Solo-) Material für Tenor- und Sopransaxophon, (präpariertem) Klavier, Cello, Violine und Xylophon, das ich später von den Musikern im Studio gespielt, auf Harddisk aufnahm.

Dabei bediente ich mich der Kompositionstechnik, die John Cage bei seinen „number pieces“ anwandte: die einzelnen Töne der Partitur müssen innerhalb eines definierten Zeitraumes gespielt werden, wobei der Spieler innerhalb dieser Vorgabe über Länge und spieltechnische Interpretation des Notenmaterials selbst entscheidet.

Wichtig dabei war an allererster Stelle der atmosphärische Ausdruck  beim Spielen, das permanente Spannungsverhältnis Geist-Körper:  wie setzt  beispielsweise  ein  Saxophonist  die  Vorstellung  einer seelischen  Qual,  bei völliger körperlicher Lethargie um ?  Kann ein Cello „Atemnot“ herstellen oder eine für Violine geschriebene Tonreihe eine „zerquetschte Sehnsucht“ ?

Diese Aufgabenstellung  verlangte  von  den  beteiligten  Musikern  höchstes

Engagement ,  Einfühlungsvermögen  und den Willen,  an die  Grenzen  Ihrer persönlichen Erfahrungen und ihrer spieltechnischen Möglichkeiten zu gehen.

 

Im zweiten Schritt konnte ich nun von diesem reichhaltigen Tonmaterial ausgehen und begann, einzelne Partikel aus der „grossen Partitur“ durch digitale Schnitttechniken zu kombinieren. Die unabhängig voneinander eingespielten („autistischen“) Mikrokompositionen ( kein Spieler sollte durch den Vortrag eines Anderen in seiner eigenen Interpretation beeinflusst werden ) kamen miteinander in Berührung,  „reagierten“ miteinander, wurden zum Teil auf vielfältige Art  manipuliert und verfremdet, bis am Ende ein in drei Sätze gegliederter Klangkörper entstand, der in seiner Gesamtheit  die Komposition „caged“ ergab.

 

Bewusst verzichtet wurde auf den Einbau von erklärenden, die Hörer-innen „entspannenden“ dramaturgischen Elementen wie Text/Sprache, konkrete Umweltgeräusche oder elektronische Klangerzeuger, da ja gerade über die Realität eines konkret-„un-erhörten“, eines „haltlosen“ inneren Zustandes klanglich verhandelt werden sollte.

 

Der Endmix der vorliegenden CD entstand im September 2002.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhaltliche Aspekte : ausgewählte Verweise & Inspirationen

 

 

I

 

 

Deodato di Orlandi: Trauernder Johannes, letztes Viertel 13.Jahrhundert

Albrecht Dürer: Selbstbildnis, um 1492

Johann Heinrich Füssli: Das Schweigen, um 1788/1801

Caspar David Friedrich: Abtei im Eichwald, 1809

Guillaume-Benjamin Duchenne: Persönliches Fotoalbum,1855/56

Ron Mueck: Ohne Titel, 2000

Igor & Svetlana Kopystiansky: Flow, 2002

Gerhard Richter: Tote, 1988

 

 

 

II

 

Literatur:

 

Alice Miller: Das Drama des begabten Kindes ( Suhrkamp, 1979 )

Erich Fromm: Haben oder Sein ( dtv, 1979 )

Klaus Ottomeyer: Ökonomische Zwänge und menschliche Beziehungen (rororo, 1977)

Max Frisch: Stiller ( Suhrkamp, 1958 )

Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns (  dtv, 1967 )

Ingeborg Bachmann: Malina (Suhrkamp, 1971)

Thomas Bernhard: Das Kalkwerk ( Suhrkamp, 1973 )

Helmut Krausser: Thanatos (Luchterhand, 1996)

Michel Houllebecq: Elementarteilchen ( DuMont, 1999 )

 

 

III

 

 

Musik:

 

Ludwig van Beethoven: Klaviersonate No 31 As-dur op.110

Robert Schumann: Gesänge der Frühe op. 133

Gustav Mahler: Ich bin der Welt abhanden gekommen

György Ligeti: Lontano

Pink Floyd: The Wall

 

IV

 

 

Film:

 

Andreij Tarkowskij: Der Spiegel, Stalker, Nostalghia

Louis Malle: Das Irrlicht

Jean-Pierre Melville: Der eiskalte Engel