Gedanken zum Tagebuch

 

Gedanken zum Tagebuch

 

Viel von dem, was ich den Tag über erlebt und gedacht habe, ist nach einigen Tagen schon wieder in unzugängliche Sphären abgetaucht. Daraus resultiert eine unzufriedene Nervosität aus dem blöden Selbstvorwurf heraus, zu schludrig mit den eigenen Möglichkeiten umzugehen, die Zeit nicht intensiver zu nutzen.

Schriftliche Fixierung könnte mir ein Mittel in die Hand geben, mich konkreter mit den Dingen, über die ich nachdenke, auseinander zu setzen, denn ich muss sie (aus-)formulieren.

Mit dem Tagebuchschreiben steht mir neben den musikalischen Werken auf diese Art eine zweite chronologisch-biographische Ebene zur Verfügung, die mir besseren Aufschluss geben kann über das, was ich bin und indem ich später in etwas stöbern kann, was ich war.

Teile dieser Aufzeichnungen werde ich öffentlich machen. Inwieweit ich die Zwickmühle aus gewollter Selbstinszenierung und Authentizität der öffentlichen Eintragungen meistern werde, wird die Praxis zeigen. Zentraler Sinn des Website-Tagebuchs ist natürlich der Wunsch, auf das, was ich tue, aufmerksam zu machen. Doch ich möchte aus meiner eigenen Erfahrung heraus auch etwas zurückgeben: die schriftlich fixierten Gedanken vieler anderer Menschen, haben mich erst zu dem gemacht, was ich bin: sie haben mich inspiriert, ermutigt und bestärkt, in manchmal großer Verunsicherung meinen eigenen Weg zu gehen.

Ich habe mir für dieses Jahr unter anderem vorgenommen, meine über Jahre selbst aufgezwungene „Schall-Mauer“ zu durchbrechen: ich werde Musik veröffentlichen, von der ich glaube, dass sie auf Grund ihrer Eigenständigkeit eine Berechtigung dazu hat, obwohl sie „der Markt“ garantiert nicht brauchen wird. Es ist Musik, die sich über Jahre entwickelt und eine gnadenlos subjektive Richtung eingeschlagen hat; jenseits von „funktionierenden“ Formalien und Anforderungsprofilen. Mein Hauptinteresse ist nicht mehr, einfach „gute Stücke“ zu machen (was nicht heißen soll, dass hoffentlich weiterhin der eine oder andere entstehen wird); aber es wuchs der Wunsch, mir musikalische Mittel zu erarbeiten, die bestimmte Zustände in Klänge fassen können, die auf andere Art für mich nur äußerst unzureichend beschreibbar wären. In diesem Zusammenhang ist die Kommunizierung von Gedankenelementen hier im Tagebuch für die Hörerinnen und Hörer vielleicht eine ganz gute Möglichkeit, einen Zugang zu meiner Musik nach 1997 zu bekommen. Ich wünsche mir, dass die Aufzeichnungen das Interesse wecken, den Stücken nach dem ersten Durchhören intensiver auf den Grund gehen zu wollen.