Mein gelbes Notizbuch #16 – More Ohr Less-Festival – Die Vorgeschichte

Ich bin zurück vom More Ohr Less – Festival… noch ein Stückchen inspirierter & beseelter als vor meinem Aufbruch dorthin letzte Woche.
Warum das so ist, darüber werde ich ausführlicher in #17 berichten. Heute erstmal die Vorgeschichte: Im November 2007 fragte mich mein lieber Freund Olaf Zimmermann, ob ich nicht mit ihm zum einmaligen Konzert der legendären Gruppe „Harmonia“ ins Haus der Kulturen der Welt mitkommen wollte: dort könnte ich doch den von mir hochverehrten Hans Joachim Roedelius persönlich kennen lernen.
Ganz wie es meine Art ist, wäre mir das zu viel Aufregung gewesen, doch ich nutzte die wunderbare Gelegenheit, ihm einen Brief persönlich in die Hand zu geben…

 

 

Berlin, 27.November 2007

Lieber Herr Roedelius,

Als ich das Stück „Es war einmal“ das erste Mal hörte, spielte ich als 12-Jähriger Klavier am Konservatorium. Ich litt dort sehr unter den furchtbar autoritären & bornierten Strukturen, die mir das, was ich mir unter Musik vorstellte, nämlich das lustvolle Spielen, Erforschen, Entdecken und Übertragen von inneren Stimmungen hinaus in die Welt mehr und mehr im Begriff waren, zu nehmen. 

Dann hörte ich „Es war einmal“ (danach die ganze „Sowiesoso“ und die Cluster/Eno-Produktionen) und hatte dabei sofort dieses wunderbare Gefühl, dass da jemand genau „meinen“ Ton trifft … Ich wurde neugierig, ich begann, neue musikalische Welten zu entdecken, konnte hoch-inspiriert das Konservatorium verlassen, um meine eigene Vorstellung von Musik ohne Kontrolle von Aussen weiter umsetzen zu können. 

Ihren musikalischen Weg habe ich über die Jahre immer begleitet, mal stärker, mal weniger intensiv, aber immer mit großem Interesse, Hochachtung und Hingabe. 
Einige Ihrer Stücke gehören zu den persönlichsten musikalischen Schätzen, die mit meiner Seele auf eine schöne, offene Art ganz direkt verbunden sind. 

In September war ich bei Ihrem Konzert mit Moebius, auf das ich mich wie ein kleines Kind gefreut hatte. Das Konzert hat mich sehr berührt. Der emotionale Höhepunkt für mich die „Zugabe“ nach dem eigentlichen Konzert: sie spielten einen spontan improvisierten Bogen über dreißig Jahre Ihres/Eures musikalischen Schaffens. 
Während ich zusah und zuhörte kamen mir die Tränen angesichts des Gedankens, dass es möglich ist, spontan, lebenslustig, authentisch, ungezwungen und voller Esprit zu sein. Da stand jemand vor mir, der mir -ohne Eitelkeit, Emphase oder Selbststilisierung- auf eine großartige Art zeigte, wie es ist, ein innerlich freier Mensch zu sein: konzentriert, mit Hingabe und gleichzeitig eine ungezwungene Leichtigkeit und Freude ausstrahlend.

Ich will den Brief schließen mit einer großen Bitte: das Stück „Zerrissen zwischen Illusionen“ gehört zu den schönsten Kunstliedern die ich kenne … haben Sie die Möglichkeit, mir die „Lieder vom Steinfeld“ zukommen zu lassen???

Ganz, ganz liebe Grüße und allerbeste Wünsche für Ihr weiteres Leben

Ihr 
Harald Blüchel