MEIN GELBES NOTIZBUCH #17 – MORE OHR LESS (2): AUF DEM FESTIVAL

Am Montag, dem 16.Januar 2017 traf ich Hans Joachim und seine Frau Christine Martha Roedelius in der Kantine der Volksbühne. Hans Joachim spielte zusammen mit Arnold Kasar ein Konzert im Roten Salon.
Das war ein Flash für mich:
Denn gerade mal einige Wochen vorher, auch an einem Montag, spielte ich mein zweites Werkstattkonzert am selben Ort, mit dem selben Flügel, derselben Beleuchtung, derselben Anordnung der Sitzreihen und derselben knisternden Atmosphäre im vollen Raum.

Jetzt wurde aus der brieflichen Korrespondenz die erste persönliche Begegnung.
Und am Ende meinten die Beiden: „Möchtest Du nicht auf unserem More Ohr Less – Festival spielen?“

Knapp fünf Monate später war ich da. Und fühlte mich vom ersten Augenblick an als Teil einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten: eine Versammlung von herzlichem Miteinander, hoher Kompetenz, interessiertem Austausch, politischem Engagement,
aufgehoben in einer Vielzahl von verschiedenen Spielorten verteilt über das berühmte Städtchen Baden bei Wien. Draußen in den grandios schönen Parks (in denen die Hunde leider nicht freilaufen dürfen), drinnen in fantastischen Museumsräumen.

Jede Minute der Zeit, die ich hier verbrachte, war ein wahrgenommenes „Geschenk des Augenblicks“. Das weite Spektrum der Musik korrelierte mit bildender Kunst, Vorträgen, Performances, Naturerlebnissen, Fotografie, Film, Architektur, Kommunikation, Freude, Ruhe, Besinnlichkeit, Zwischenmenschlichkeit.

Ich liebe die elegante Lässigkeit, die es so nur in Österreich gibt. Es ist immer noch ein Land, das an allen Orten klingt und schwingt und Theater spielt und liest und schreibt und malt und Filme macht.

Mein Konzert sollte am Mittwoch um 19.00 Uhr im Arnulf Rainer Museum steigen.Mein Konzertsaal - noch ohne Flügel, Arnulf Rainer Museum, Juni 2017
Neugierig wie ich war, sah ich mir das Museum schon um 10.00 Uhr an – war mit dem äußert netten Personal erst ganz allein und konnte ungestört die Atmosphäre der Bilder & Räume auf mich wirken lassen. Mir schien: Dieser Ort ist ABSOLUTE RUHE UND ABSOLUTE KRAFT, ist die PERSONALISIERUNG des Geistes des Festivals.

Um 12.30 Uhr kam der Flügel aus Wien. Ich traute meinen Augen nicht: es war ein 280 cm langes Prachtstück – der wunderbare Bösendorfer 280 VC-17, ein vollendetes Kunstwerk!!! Wir platzierten ihn in die Mitte des Raumes, sprachen über Friedrich Gulda. Dann fing ich an, mit ihm zu spielen – und traute meinen Ohren und Händen erst recht nicht mehr…

HB & Bösendorfer 280 VC-17 im Arnulf Rainer Museum, Juni 2017, Foto: Beatrice@Arnulf Rainer Museum

Was könnte ein treffender Vergleich sein? Vielleicht jemand, der passioniert hervorragende Autos fährt und dann am Steuer eines Rolls Royce oder eines Lamborghinis sitzt… Ein Flügel, der sagt: „Hey, ICH kann alles, ich bin absolut präzise, in jeder Nuance. Es kommt nur darauf an, was DU im Stande bist, aus mir herauszuholen“. Ein Traum von Klang, ein Traum an Möglichkeiten!

Eyes wide shut - More Ohr Less - Festival, Juni 2017, Foto: Katharina @ Arnulf Rainer MuseumSeit ich wieder Konzerte gebe, habe ich mich noch nie so darauf gefreut, es geben zu können, allein schon, weil ich den Flügel wieder hören und spielen wollte. Für irgendeine Nervositätsfacette war da überhaupt kein Platz mehr!

Nach dem Konzert fragten mich die Roedelii: „Würdest Du morgen bei dem Improvisationskonzert von Tim Story, Christopher Chaplin und Roedelius mitspielen?“ … ???
!!!
)))))))))

Blüchel & Roedelius, Juni 2017, Photo by Sylvain Mazars

Das, was ich dann am nächsten Tag beim Spielen mit den Dreien empfand, ist unvergesslich für mich. So schön war`s, so eindrücklich, so leicht,
so gemeinsam, so aufmerksam, so frei … wie ein leichter, streichelnder Wind…