Liebe 53 Schauspieler*innen,
ich beglückwünsche Euch zu Eurer Aktion! Sehr gerne habe ich Eure Kurzfilme angesehen und mich darüber gefreut, wie Ihr Eure Kreativität in einen notwendigen gesellschaftlichen Diskurs eingebracht habt.
Bitte lasst Euch nicht in die Defensive drängen. Es gibt keinen Grund, nun öffentlich
vor einem medialen Inquisitionstribunal auf die Knie zu gehen. Ihr müsst Euch nicht rechtfertigen!
Es erstaunt die vom Inhalt eigentümlich uniform-robuste Wucht der Reaktion unserer Medienlandschaft: Genau diejenigen (ob Vertreter*innen öffentlich-rechtlicher Anstalten, Kommentator*innen von Bild bis Spiegel/FAZ/SZ und sogenannten Medienexpert*innen), die permanent die Begriffe Demokratie, freie Meinungsäußerung, Pluralismus, gesellschaftliches Engagement in den Mund nehmen und die „Verteidigung dieses höchsten Gutes“ auf Ihre eigenen Fahnen schreiben, fackeln ein Shitstorm-Feuerwerk aus dem Lehrbuch des Meinungsmanagements auf Euch ab. Beispiele gefällig?
So what!
Zur historischen Einordnung, zur Einsicht in die Situation und zum besseren Verständnis, was passieren kann, wenn Künstler ihre Meinung engagiert gegen den politisch-medialen Mainstream vorbringen, eine kurze, hochempfehlenswerte Illustration am Beispiel des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll:
https://www.youtube.com/watch?v=ghmjeghbUZM
Ich will Aktion und Reaktion nicht zu hoch hängen, doch erinnert es mich zumindest in seinen Spurenelementen an drei historische Archetypen der politischen Einschüchterung von „Oben“ gegenüber kritischen Künstler*innen:
i) Die Amerikanische McCarthy-Ära („Have you ever been member of the Communist Party?“) in den 50er Jahren
https://de.wikipedia.org/wiki/McCarthy-Ära
https://www.youtube.com/watch?v=_eJ2OXn__EA
ii) Die Reaktion der DDR-Eliten auf die Protestschreiben gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 („Schwächung des Sozialismus gegenüber dem imperialistischen Gegner“)
https://www.jugendopposition.de/themen/145338/proteste-der-ddr-prominenz
https://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0213_bie&object=translation&st=&l=de
iii) Die Hetzkampagnen gegen vermeintliche „RAF-Sympathisanten“ i n den 70er Jahren in der BRD. („Die wahren Brandstifter“)
Ihr habt nichts Anderes getan, als Eure Gedanken zu veröffentlichen. Ihr habt von eurem Recht, Eure Meinung kundzutun, Gebrauch gemacht und das auf inhaltlich und ästhetisch hohem Niveau! Vielleicht haben Einige von Euch die Konsequenzen unterschätzt. Das sollte Euch und UNS ALLE gerade darin bestärken, noch weitaus komplexer & kritischer das zu hinterfragen, was uns als „selbstverständlich“, „richtig“, „vernünftig“ usw. dargeboten wird.
LASST EUCH NICHT EINSCHÜCHTERN (weder von den Medien, von der Politik, von euren Agenturen…, von wem auch immer…). Ihr habt ein Zeichen gesetzt. Nicht mehr, nicht weniger!
In großem Respekt für Eure Arbeit
Mit allerherzlichsten Grüßen
Harald Blüchel (Komponist)