Andrej Tarkowskij: NOSTALGIA – Stichpunkte zu einem Film.

Innerer Kampf mit zwei sich widersprechenden, einander ausschließenden Grundbedürfnissen. Ausweglosigkeit, weil Unlösbarkeit. Liebe. Schwermut. Isolation. Handeln. Tot. Sehnsucht. Heimat. Spiritualität. Wahnsinn. Versuch der Orientierung an dem Machbaren, dem „Normalen“ und sein Scheitern. Verzweifelte Suche nach dem Sinn, nach dem eigenen Sein, nach der (Un-)Möglichkeit, es im Ganzen leben zu können. Grenzen, die unüberwindbar sind;

Fragen einer menschlichen Existenz, auf die die Normalwelt, die technokratische Welt keine Antworten hat.

Spiel mit den Symbolen Feuer – Wasser – Erde – Luft.

Feuer:

Zigarette (Freiheit und Tod),

Kerzen (Wärme, Geborgenheit, Licht & Hoffnung),

Brände: (Zerstörung, Vernichtung)

Wasser:

Heilwasser (dampfend, warm),

„heiliges Wasser“ (Metaphysik) ,

Regentropfen (die Dächer („Zivilisation“) halten nicht mehr dicht),

Waschen (sich reinigen, den Alltagsschmutz/Schuld abwaschen)

Benzin: (Technologie, Modernität, Treibstoff der Zerstörung und der (Auf-)Lösung ) – Synthesestoff aus „Wasser“ und „Feuer“).

Erde:

die Landschaften:  Toskana (in Farbe, Gegenwart) und Russland (in Schwarz-Weiss, Erinnerung), die immer stärker miteinander korrelieren, sich gegenseitig überlagern, bis sie nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind.

Luft:

Zigarettenrauch (der aufsteigt) ,

Wind (der die Kerzenflamme bedroht)

Obwohl er stark herzkrank ist, raucht er. Er wird sterben. Er ist in der neuen „paradiesischen“ Landschaft der Toskana, doch er denkt an seine Heimat, seine Vergangenheit, die er verlassen hat. Er hat zurück gelassen: seine Frau, seine Kinder, seine Sprache, seine Biografie, seine Aufgabe. Er hat eine existentielle, schmerzvolle Entscheidung umgesetzt, doch er ist nicht „frei“ geworden, er ist an einem neuen Ort, doch er kann ihn nicht wahrnehmen. Er nimmt die Landschaft nicht wahr, er nimmt die schöne neue Frau nicht wahr, er schreibt keine neuen Gedichte; allein zum „Wahnsinnigen“ gibt es eine Verbindung, ein Mann, der isoliert am Rande des Städtchens lebt.

Der Dichter sagt zum „Wahnsinnigen“: „ich verstehe Deine Tat“. Der „Wahnsinnige“ hat sich mit seiner Familie sieben Jahre in seinem Haus eingesperrt. Vielleicht, weil er Angst davor hatte, sonst die Familie zwanghaft verlassen zu müssen. Dann hätte er sich vor allem selbst eingesperrt und damit die Familie davor schützen wollen, dass er sie verlässt. Der russische Dichter hat sich nicht eingeschlossen, er ist von seinem Liebsten weggerannt. Doch er hat sein Dilemma (anscheinend das Gleiche wie das des „Wahnsinnigen“) ebenfalls nicht lösen können, denn in seinen Gedanken ist er an dem Ort, vor dem er flüchtete; er vermisst den Ort, von dem er kam. Der Wahnsinnige überschüttet sich mit Benzin und zündet sich an. Der Dichter durchschreitet das Heilwasserbecken mit brennender Kerze, er tut das, was ihm der „Wahnsinnige“ geraten hat. Er geht hinüber zu den „Verrückten“, deren Glauben an das Leben, an das eigene Sein die Grenze der „Wirklichkeit der Normalen“ überschreitet. Letzte Konsequenz: nur in dieser Sphäre scheint es möglich, das „Unlebbare“ leben zu können, den Widerspruch zwischen sich ausschließenden existentiellen Wünschen zu vereinen.

Der Aufbau des letzten Bildes im Film erinnert verblüffend an die Komposition von Böcklins „Toteninsel“.