Die Aufnahme-Sessions im Studio – Berlin / März 2019

 

PART I: DER FAZIOLI-FLÜGEL

 

Mein Wunschinstrument war der Bösendorfer 280 VC. Leider gibt es in ganz Berlin keinen einzigen. Dann erfuhr ich von einem Fazioli308, durfte ihn spielen… und bekam Gänsehaut! So wurde er mein Instrument für die Studioaufnahmen.

 

Studiosessions März 2019/1
Photo by Tino Pohlmann

 

Es ist immer ein Dialog zwischen der/dem Spielenden und dem Instrument. Beide hören aufeinander, inspirieren einander, werden in den schönsten und besten Momenten einsmiteinander.

Manchmal hörte ich dem Fazioli richtig an, dass es ihm Spaß macht, mit mir auf einen Trip zu gehen…

Wenn er sich auf eine schöne Art gefordert fühlt (quasi seinen edlen Seidenschal ablegt und die Ärmel seines Kaschmirpullovers hochkrempelt) und mit mir zusammen klangliche Grenzen auslotet und überschreitet, die sich in seinem klassischen Selbstverständnis bisher nicht für ihn geziemt haben.

Weltklasseflügel (Steinway, Bechstein, Bösendorfer) sind edelste Meisterwerke der Handwerks- und Klangkunst. Auch der Fazioli gehört in diesen auserwählten Club im Klavier-Olymp.

Der Fazioli ist ein unendlich elegantes Instrument.

Würde er ein Auto sein, dann wäre er ein Lamborghini, ein Aston Martin oder ein Maserati.

Ich suchte ein Instrument, das äußerst sensibel und komplex auf mein Spiel reagieren kann. Minimalistisch gehaltene Solo-Kompositionen machen es ja nicht über die (Über-)Fülle an klanglicher Information, sondern in der möglichst ausdrucksstarken Artikulation des So-wenig-wie-Möglichen, das auf dem Notenblatt steht und gespielt bzw. gehört werden soll.

Ich wünschte mir einen sehr weichen, gedämpften und doch klaren Grundklang. Das Instrument sollte singen können, dass einem die Tränen kommen, also auf die minimalsten Veränderungen des Anschlags klanglich differenzierte Antworten geben können.

Ich suchte ein Instrument, das sich von leisester Zerbrechlichkeit bis in die extremsten Grenzbereiche an der Schwelle zum tönenden Lärm hochmodulieren lässt, bei Beibehaltung einer klangkörperlichen Kohärenz im Gesamtbild.

Ich wollte keine „Model D– klinisch-objektiv/lineare –  Referenz-Resonanz“ eines Steinway, sondern einen Partner, der sich engagiert einbringt, der klanglich permanent lebt, mich überrascht, mich mitnehmen kann, wenn ich ihn mitnehme.

 

Groovende Eleganzund lebendige Erhabenheit,

betörende Sanftheit im Diskant und mörderische Energie im Bass,

strahlend-stellare Transparenz und dunkel-funkelndes Dickicht,

Wirklichkeit in einer sensiblen Skala von eins bis tausend.

 

Der Fazioli kann viel davon. Auch weil ich in Martin Ruch einen begnadeten Tonmeister an meiner Seite hatte und in Marco Maria einen begnadeten Klavierstimmer.

Immer war ich überrascht, in manchen Momenten fast überfordert von seinen klanglichen Angeboten: dann kam es mir so vor, als hätte ich nicht genügend Rechenleistung zur Verfügung, um all dies, was in Jetztzeit auf mich einströmte, noch komplett verarbeiten und umsetzen zu können.

 

Studiosessions März 2019/2
Photo by Tino Pohlmann

 

Stell` Dir einen Schachspieler vor, der mit verbundenen Augen dreißig Partien simultan spielt. Da kann man an den Grenzbereich zum süßen Wahnsinn kommen,

wo die parallelen Wirklichkeiten sanft zu kollabieren beginnen und ihre materielle Festigkeit und Eindeutigkeit verlieren…

Mit diesem Flügel müsste man Tag für Tag leben dürfen. Das geht nicht, ist aber auch nicht so schlimm, denn:

  1. a) kann ich meinen Teil durch Übung am Flügel zu Hause leisten um ihm
  2. b) beim nächsten Mal, wenn wir uns wieder zu einer Aufnahmesession treffen, noch ein bisschen näher auf Ohrenhöhe zu sein.

No problem at all: beim Konzertieren wie im Studio geht der Weg immer weiter und weiter und weiter; das ist wunderbar und es gilt hier wie in allen anderen Aspekten des Lebens:

 

 The more to find out, the more there is to know!

 

Studiosessions März 2019/5
Photo by Tino Pohlmann

 

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PART II: 

IM STUDIO

oder: 

DIE SCHWIERIGKEIT, DIE BALANCE ZU FINDEN AUS ANSPRÜCHEN AN EINE STUDIOAUFNAHME UND LEBENDIGER REPRÄSENTATION

 

Eine Studioaufnahme ist eine bleibende REFERENZ. Sie ist die Dokumentation eines erreichten Jetzt-Zustandes. Sie komprimiert eine bestimmte Lebensepoche. Sie ist ein reflektiertes, gültiges Statement. Sie ist eine Bestandsaufnahme.

Natürlich soll sie ein Optimum an Stimmigkeit erreichen, aber ohne deswegen in Perfektion zu erstarren und über-stilisiert, über-kontrolliert bzw. über-ambitioniert daher zu kommen. Es ist sehr wichtig bei allen Wünschen und Ansprüchen immer im Auge zu behalten, was man kann und vor allem auch, was man eben NICHT kann, wenn es um die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten als Interpret geht.

Unglaublich aber wahr: Heutzutage wird bei klassischen Hi-End-Aufnahmen nahezu JEDER Takt geschnitten und bearbeitet, um ein TOTAL makelloses und perfektes Endprodukt zu schaffen.

Mir muss es darum gehen, eine Kombination und Vereinbarkeit zu schaffen aus diesen Ansprüchen und spielerischer Leichtigkeit, Freude, Inspiration, Experiment, Gunst des Augenblicks, Offenheit und innere Freiheit während der Sessions.

Reine Perfektion ist maschinelle Unantastbarkeit, Lebendigkeit bedeutet menschliche Verletzlichkeit. Und angreifbar zu sein, damit denke ich, kann man leben.

Einerseits hast Du klangliche Vorstellungen im Kopf; Konzepte, wie die einzelnen Stücke klingen sollten andererseits bietet Dir der ein Flügel wie der Fazioliauf Grund seiner Feinheit in Kombination mit einer präzisen Aufnahmetechnik in jeder Sekunde etwas an, was Du sofort registriert, womit Du resonierst und worauf Du reagierst.

Manchmal trifft es exakt das, was Du willst, manchmal etwas ganz Anderes. Dann bist Du, während Du weiterspielst, überrascht und musst in Echtzeit (oder später beim Abhören) entscheiden, ob Du Dich mitnehmen lässt in das ungewisse Neuland, oder ob Du versuchst, zu Deiner originären Vorstellung zurück zu kommen.

Jede Note, jeder gespielte Klang erzeugt auf verschiedenen Metaebenen Bilder, Farben, Erinnerungen, seelische Zustände, Gefühle – alles gleichzeitig zu den motorischen Abläufen einerseits und den kognitiv-konzeptionellen Prozessen andererseits.

 

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Photo by Tino Pohlmann

 

Im Studio kann es keine absolute Idealaufnahme geben, aber schier unendliche Möglichkeiten dessen, was ideal sein könnte – und was in der Realität dann natürlich trotzdem nicht Note für Note durchzuhalten ist.

Im Studio durchlebst Du die gesamte Skala von emotionalen Zuständen:

Du erlebst die Momente der absoluten Ruhe, Intimität und Versunkenheit im Klang.

Du erlebst Momente der absoluten Frustration, der Verzweiflung und der Ratlosigkeit darüber, ein Stück oder eine bestimmte Passage eines Stückes nicht so hinzubekommen, wie Du es Dir vorstellst.

Du erlebst Momente des absoluten Glücks in den Augenblicken, in denen Du während des Spiels das „absolut Richtige“ (Ausdruck, Stimmung, Präzision) triffst. Oder in den Augenblicken, wo Du beim kritischen Abhören eines bestimmten Takes oder eines Schnitts zwischen verschiedenen Takes im Kontrollraum in Übereinstimmung mit dem Tonmeister die Gewissheit bekommst, dass es passt!

Die Studiozeit im März war eine sensationell aufregende, lehrreiche und beglückende Zeit. Nun atme ich bis zu den Endmixen, die wir Anfang Mai erstellen werden, erst einmal wieder tief durch.

 

Studiosessions März 2019/6
Photo by Tino Pohlmann

 

Der nächste Schritt danach:  das exakte WIE, MIT WEM UND WANN der Album-Veröffentlichung .

 

Good times in the very Now – Exciting times ahead – I`ll keep you informed!