Über das Fragen I

Die zentralsten Fragen sind für mich:

  1. a) „Wer bin ich?“– und damit verbunden:

„Warum bin ich, wie ich bin?“ Und: „Wie wünsche ich mir zu sein?“ Und: „Wo divergieren die eigenen Vorstellungen von mir wie ich bin und wie ich gerne wäre?“ Und: „Aus welchen möglichen Motiven heraus möchte ich anders sein als ich bin?“ Und: „Welche Möglichkeiten habe ich, mich nach meinen Vorstellungen im Rahmen meiner persönlichen und gesellschaftlichen Bedingungen zu verändern?“

 

  1. b) „Was ist die Welt?“, „Wie funktioniert die Welt?“, „Wie stehe ich in bzw. zu dieser Welt?“

 

  1. c) „Für welche Dinge lohnt es sich zu leben und warum gerade für diese?“, Und: „Wie komme ich an diese Dinge heran, für die es sich zu leben lohnt?“ Also: „Wie kann ich ein sinnvolles Leben leben“ : „Wie definiere ich das, was man im Allgemeinen als „Glück“ bezeichnet?“und folglich: „Wie werde ich glücklich?“ bzw.: „Was hindert mich daran, dass ich mir mein Glück nehme oder nehmen kann?“.

 

Selbst-Vergewisserung, Selbst-Verortung und damit Selbst-Bestimmung kann nicht mit positivistischer Hinnahme bzw. Akzeptanz der sogenannten „Welt wie sie eben ist“ erreicht werden. Die leitmotivische Orientierung am „Machbaren innerhalb der Spielregeln“, die man vorfindet, ohne sie selbst bestimmt zu haben, sich also ad hoc mit ihnen identifiziert (warum eigentlich?) und damit selbst zum repräsentierenden, tragenden und letztendlich auch ausführenden Organ dieser vorgegebenen Wirklichkeit, des status quo wird.

 

Nur das „Fragen“, also das „In-Frage-Stellen“ von vorgegebenen Realitäten kann eine grundsätzliche gedankliche, zeitliche und räumliche Distanz schaffen, die es mir erst möglich macht, mich als Individuum, also als fühlendes, denkendes und handelndes Subjekt zu erkennen und zu verwirklichen. Distanzlosigkeit führt zu Abhängigkeit, steht also im Grundwiderspruch zu einem selbst-bestimmenden, autonomen Lebensentwurf, der im Allgemeinen als „persönliche Freiheit“ bezeichnet wird.

„Fragen stellen“ ist eigentlich ganz leicht. Und bei Kindern sehen wir, dass es zu den fundamentalen Dingen des Mensch-Werdens gehört: „Warum ist diese Blume rot?“, „Warum ist der Mann da drüben traurig?“, „Warum darf ich nicht noch eine Stunde länger spielen?“